Was brauche ich – und wie sag ich’s dir?

Frau mit nachdenklichem Blick – Symbol für emotionale Unsicherheit in der Beziehung

Mein Freund und ich verstehen uns manchmal einfach nicht.

Ich sage etwas zu ihm – und er wiederholt es so, dass es plötzlich ganz anders klingt. Oder er lässt Gedanken einfach weg, sagt irgendwas völlig Kontextloses – und ich steh’ da und denk mir: Hä?

Daraus mache ich auch regelmäßig ein Drama. Zu Recht, finde ich.

Warum sagt er mir nicht einfach, dass er Rückenschmerzen hat und deshalb dringend ins Yoga will – und wir unseren Plan darum verschieben müssten?

Was er sagt: „Ich geh um 11 ins Yoga.“
Was ich höre: „Dein Plan ist mir gerade egal.“

Was ich antworte: „Hä? Wir wollten doch um 1 schon im Zug sitzen?! Warum musst du jetzt noch Yoga reinquetschen?!“

Kommunikation – und das große Missverstehen

Wir kommunizieren viel. Vielleicht sogar zu viel. Vor allem in Situationen wie dieser.

Er sagt was – ich reagiere – er wundert sich – ich bin verletzt – er fühlt sich überfordert – ich werde laut.

Ich versuche, es ihm zu erklären: Ich will nicht rumwarten. Ich will den Zug kriegen. Am liebsten sogar den früheren. Dann ist’s entspannter.

Er sagt: „Ich will jetzt aber ins Yoga. Ich will selbst entscheiden können, was ich mache.“

Ich antworte: „Dann hättest du das halt früher entschieden – und mit mir abgesprochen.“

Er: „Hab ich aber grad erst beschlossen.“

(Mit keinem Wort erwähnt er, dass er Rückenschmerzen hat.)

Ich: „Wow. Du übergehst mich komplett und machst einfach dein Ding? Ganz toll. Dann fahr halt allein. Ich hab keine Lust mehr.“

Zwei Bedürfnisse, ein Konflikt

Mein Bedürfnis: gesehen werden. Respektvoll behandelt werden. Mich auf meinen Partner verlassen können. Wenn wir etwas absprechen, dann gilt das auch.

Sein Bedürfnis: autonom sein. Frei entscheiden. Pläne spontan ändern dürfen, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

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Unser Clash: Er erklärt mir nicht, warum das Yoga so wichtig ist. Und ich fühle mich, als hätte ich in seiner Prioritätenliste gerade verloren.

Bin ich zu sensibel?

Ein Paar, Mann und Frau verstehen sich einfach nicht

Ich verstecke meine Bedürfnisse oft hinter Ironie. Oder ich formuliere sie als Frage, bei der ein Nein okay wäre – obwohl es das nicht ist. Weil es um mehr geht.

An dem Yoga-Tag hatte ich mir gewünscht, dass er einfach mitkommt. Mich versteht. Dass ich nicht argumentieren muss, warum der frühere Zug mir wichtig ist. Ich hab’s versucht zu erklären: „Es wird heiß. Je früher wir fahren, desto besser. Ins Yoga kannst du nächste Woche auch noch gehen.“

Und trotzdem habe ich mich gefühlt, als würde ich mich aufdrängen – obwohl der Plan ja eigentlich feststand.

Für ihn war’s auch scheiße. Weil er sich eingeschränkt fühlte. Nicht frei. Nicht gesehen in dem, was er grad gebraucht hätte.

Irgendwann sagte er: „Ich fahr’ jetzt mit dir. Ich mach das für dich. Bist du jetzt happy?“

Nein, war ich nicht. Weil ich das Gefühl hatte, ihn zu etwas gezwungen zu haben. Ich wollte nicht diesen Kompromiss. Ich wollte wichtig sein – vorher. Nicht erst, wenn es eskaliert ist.

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Aber ich konnte das nicht sagen, ohne bitter zu klingen. Ohne mich klein zu fühlen. Dabei ging’s um Würde. Und um das Gefühl: Ich zähle.

Zwei Sprachen von Nähe – und keiner übersetzt

Ich weiß, wie er liebt.

Er zeigt es durch Erlebnisse. Er plant Ausflüge, überrascht mich mit Orten, an die ich nie gedacht hätte. Er bucht Unterkünfte, packt die (mobile) Wanderkarte aus, sorgt für das große Ganze.

Ich liebe auch. Aber anders. Für mich bedeutet Nähe: emotionale Präsenz. Dass er fragt, wie es mir geht – und wirklich hören will, was ich antworte. Dass er spürt, wenn mir was zu viel ist. Dass er nachdenkt, bevor er etwas sagt, was mich innerlich umwirft.

Vielleicht liegt es daran, dass wir einfach zwei unterschiedliche Liebessprachen sprechen – und keiner das Vokabelheft dabei hat.

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In dieser Yogasituation war ich richtig verzweifelt. Es ging objektiv um nichts – ein Zug später hätte unseren Plan nicht zerstört. Und gleichzeitig ging es um alles.

Ich dachte nur: „Why the fuck kannst du mir nicht einfach erklären, WARUM du jetzt Yoga brauchst?“ Dann hätte ich reagieren können. Hätte vielleicht gesagt: „Mach’s, wenn es dir guttut.“ Oder auch: „Dann dehn dich kurz daheim, ich will wirklich den Zug kriegen.“

Aber ich hätte selbst entscheiden können. Nicht nur hinnehmen.

Beziehungsmindeststandard – was für mich nicht verhandelbar ist

Es gibt Dinge, die sind für mich nicht verhandelbar. Kein Wunsch, keine Laune. Sondern: Grundlage.

  • Austausch auf Augenhöhe

  • Dass ich sagen darf: „So nicht“ – ohne direkt als schwierig zu gelten

  • Dass ich nicht ständig erklären muss, warum mich etwas trifft

  • Dass ich nicht übergangen werde – nur weil der andere spontaner ist

  • Dass ich nicht als „zu sensibel“ abgestempelt werde – nur weil ich spüre, was ist.

Genau das ist für mich ein Beziehungsmindeststandard – und kein Luxus.

Ich will keine Beziehung, in der ich mich dafür entschuldigen muss, dass ich Gefühle habe.

Wunsch oder Bedürfnis?

Ich übe noch. Aber ich versuche, für mich deutlicher zu erkennen: Was brauche ich wirklich – und was ist schön, aber kein Muss?

Nicht, um zu fordern. Sondern um sagen zu können: Das hier ist mein Boden. Ohne den kippe ich.

Es geht um emotionale Bedürfnisse, nicht um Extra-Wünsche. Um das, was mir Sicherheit gibt. Was meine emotionale Basis stabilisiert.

Frau mit geschlossenen Augen, innere Kraft, verletzlich + ruhig.

🔹 Was für mich ein Basic ist

  • Emotionale Sicherheit und Zuwendung – vor allem, wenn es mir nicht gut geht

  • Nähe zeigen – nicht nur körperlich, sondern durch echte Präsenz

  • Verantwortung teilen, ohne klassische Rollen

  • Ernst genommen werden, auch wenn ich gerade nicht stark bin

  • Und: nicht ignoriert werden, wenn ich mich verletzlich zeige

Ich will nicht diskutieren müssen, ob ich Nähe brauche. Ich will mich sicher fühlen – nicht um das Selbstverständlichste verhandeln.

🔸 Was mich freut – aber kein Muss ist

  • Kleine Überraschungen

  • Gemeinsame Mahlzeiten

  • Neue Orte entdecken

  • Sexuelle Experimente – wenn es für beide gut passt

  • Der Versuch, mich zu verstehen – auch wenn ich’s erklären muss

Das ist ein Einblick in das, was Verbindung für mich leichter macht.

Was besonders für mich ist – und nicht selbstverständlich

  • Wenn er meine Stimmung spürt – bevor ich sie benennen kann

  • Wenn er übernimmt – einfach so

  • Wenn er sagt: „Ich mach das für uns“

  • Wenn er mein Innenleben versteht – ohne dass ich mich erklären muss

Das sind Momente, in denen ich mich extrem verbunden fühle.

Wie ich lerne, nicht laut zu werden. Und auch nicht zu verstummen

Es gibt manchmal diesen Moment, da wird alles zu viel.

Ich merke: Mein System schlägt Alarm. Ich bin wieder allein mit meinem Gefühl.

Und dann kommt der Reflex: Entweder laut werden – oder dicht machen.

Aber beides bringt keine Nähe. Es bringt nur Distanz.

Es sind oft genau diese Situationen, in denen sich alte Trigger in Beziehungen melden – selbst wenn niemand was Böses will.

Deshalb stelle ich mir drei Fragen – wenn ich’s schaffe:

  • Bin ich verletzt – oder habe ich gerade Angst, egal zu sein?

  • Will ich gewinnen – oder gesehen werden?

  • Kann ich ehrlich sein, ohne den anderen zu überrollen?

Und wenn ich Glück habe, kommt ein Satz aus mir raus, der nicht als Vorwurf klingt. Sondern als Bitte:

  • „Ich brauch grad ein kleines Zeichen von dir. Sonst rutsche ich innerlich weg.“

  • „Ich hatte mich auf dich gefreut. Und jetzt fühle ich mich irgendwie wie die zweite Wahl.“

  • „Können wir kurz stoppen und schauen, was wir beide brauchen?“

Diese Sätze sind keine Soft Skills. Sie sind Überlebenshilfe. Für die Liebe. Für mich.

Ich will nicht raten müssen, ob ich zähle

Frau sitzt auf dem Fensterbrett und liest

​​Ich will keine Beziehung, in der Nähe Verhandlungssache ist. In der ich überlege, wie ich etwas formuliere, damit ich nicht „zu viel“ bin. In der ich mich klein mache.

Ich will eine Beziehung, in der wir lernen, einander zu übersetzen. Nicht zu überzeugen. Nicht zu verbiegen. Einfach: zu verstehen.

Vielleicht braucht er die Freiheit, nicht zu müssen. Und ich brauche die Sicherheit, dass ich zähle.

Genau hier entsteht oft Reibung in Beziehungen: Wenn einer Autonomie braucht – und der andere Bindung. Wenn Nähe zur Verhandlung wird. Wenn Missverständnisse in der Partnerschaft mehr kaputtmachen als echte Konflikte.

Nähe entsteht nicht, wenn alles funktioniert. Sondern wenn wir beide sagen dürfen, was wir brauchen – ohne Angst.


Was brauchst du – wirklich? 🖤
Vielleicht ist es Nähe. Vielleicht Sicherheit. Vielleicht einfach das Gefühl, wichtig zu sein – ohne dafür kämpfen zu müssen.
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